Ferme du Rail

Paris, France
Bauzeit
2014 - 2019
Gebäudetyp
New Built
Bauherr*in
City of Paris, Grand Paris
Architektur
Grand Huit Architecture
Projektpartner
Julien Virgili (structural engineer), Travail et Vie, Bail pour tous (operator), Mélanie Devret (landscape architect), Philippe Peiger (urban agro-ecologist), Pouget Consultants (thermal engineering), Albert & Compagnie (sustainability advisor), Bellastock (reuse material logistics), Frédéric Cousin (straw and air-tightness system)
Größe
2300 m2 (1000 m2 built)
Nutzung
Mischnutzung (Landwirtschaft, Restaurant, Wohngebäude)
Website
Link ↗
Banner image

Allgemeine Beschreibung

Das Gebäude wurde als urbane Farm im Rahmen der Ausschreibung Réinventer Paris 2014 konzipiert. Angeschlossen an die Petite Ceinture, eine stillgelegte Eisenbahnlinie durch Paris, ist es ein Ort, an dem sich urbane Landwirtschaft und soziale Integration entfalten. Das eine Gebäude beherbergt fünfzehn Menschen, die zu sozialen Randgruppen gehören und fünf Studierende des Gartenbaus. Das andere ein Gewächshaus und ein Restaurant. Das Konzept besteht darin, Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen durch landwirtschaftliche Arbeit und den Betrieb des Restaurants in eine Gemeinschaft zu integrieren.

EINFÜHRUNG IN DIE ZIRKULARITÄT

Die für das Gebäude verwendeten Materialien sind entweder biobasiert (Holzstruktur und Holzfassade, Strohdämmung), wiederverwendet (Fliesen, Metallelemente, Steine) oder recycelt (Holz- oder Papierfasern für Wandplatten). Der Bauprozess umfasste einen modularen Aufbau mit ohne geklebte Verbindungen und die Montage erfolgte vor Ort. Dies ermöglicht irgendwann in der Zukunft eine einfache Demontage des Gebäudes, bei der im Idealfall kein Abfall entsteht. Dieser Ansatz erfordert eine an die Formen und Eigenschaften des Materials angepasste Montage. Die Bauteile wurden während des Bauprozesses nicht umgewandelt, was eine längere Lebensdauer bei der erneuten Demontage gewährleistet. Dieses Projekt verfolgt nicht nur einen zirkulären Ansatz auf der Ebene des Gebäudes, sondern erzeugt auch soziale Wechselwirkungen mit der Stadt.

Der Ansatz, den wir bei den von uns entwickelten Arbeiten verfolgen, besteht vielmehr darin, das Material in all seinen Fähigkeiten zu erkennen und herauszufinden, wo es mit einem Minimum an Transformationen seinen Platz sowohl in funktionaler als auch in ästhetischer Hinsicht findet.

Clara Simay, Architektin
© by Elisa Eagleton & Charlotte Cioni

PRAKTIKEN

Die Art und Weise, in der uns dieser Beruf vermittelt wurde, war von all diesen Fragen der Kreislaufwirtschaft extrem abgekoppelt. Es macht mir jeden Tag große Freude, mit Menschen und für Menschen zu arbeiten [...] und in der regionalen, sozialen und ökologischen Dimension tätig zu sein

Clara Simay, Architektin

Zusammenarbeit mit allen Akteuren

Teilnehmende des Projekts mussten nicht nur offen sein für Änderungen im Konzept, sondern auch dafür, selbst am Bau mitzuarbeiten. Um dies zu erreichen, wurde die LEAN-Methode angewandt. Alle sind dabei in die Entscheidungsfindung einbezogen. Zum Beispiel beschrieben sich die Bauarbeiter*innen und die Teamleiter*innen gegenseitig ihre Aufgaben so detailliert, dass sich alle leicht an die neuen Arbeitstechniken für ein bestimmtes Material anpassen konnten. Das zweite Merkmal der LEAN-Methode ist die sogenannte Puffermethode. Sie verlangt, dass bei der Errichtung des Gebäudes die Erwartungen aller erfüllt werden, um in die endgültige Planungsphase zu gelangen. Jede Woche wurde ein Zeitpuffer reserviert, um alle Aufgaben zu koordinieren. Die Planung der notwendigen Abläufe wurde in der Regel sechs Wochen im Voraus angesetzt. Ein weiterer Aspekt dieser engen Zusammenarbeit ist die kollektive Gewinnmarge. Dies bedeutet, dass ein am Bauprozess beteiligtes Unternehmen nicht das eigene Budget verwaltet, sondern alle optimieren gemeinsam das Budget, welches in jeder Bauphase ausgegeben werden soll.

Dynamisches Entwerfen

Die Architektinnen verfolgten einen offenen und flexiblen Ansatz, der die sozialen Aspekt des Projekts berücksichtigte und auf Lernen, Austausch und Zusammenarbeit beruhte. Die ursprüngliche Idee der Architektinnen war es, einen Raum für das Restaurant und das Gewächshaus zu schaffen. Beide Orte erfordern jedoch völlig unterschiedliche thermische Anforderungen. Ein Gewächshaus, das aus Glaspaneelen besteht, ist sehr schlecht isoliert und wird im Sommer sehr heiß, während ein Restaurant im Sommer und Winter gut isoliert sein muss. Daher beschlossen die Architektinnen, ihr ursprüngliches Konzept nicht beizubehalten, sondern die beiden Räume zu trennen, was sich im Hinblick auf Energie, Kosten und Isolierung als vernünftige Entscheidung erwies.

Erweiterung des Metabolismus

Durch sein soziales Programm hat das Projekt eine Wirkung, die weit über die des Gebäudes selbst hinausgeht. Der Raum bietet einen Ort der Verbindung und des Lernens. In Workshops und bei Führungen werden die Praktiken der städtischen Landwirtschaft und die Bewässerungssysteme, die vor Ort entwickelt wurden, vermittelt. Die Ferme du Rail verwertet außerdem lokale Lebensmittelabfälle aus Haushalten und Unternehmen in der Umgebung zu Kompost für ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten. Das Restaurant bietet Ausbildungs- und Arbeitsplätze an und lädte Besucher*innen ein, die von und in der Gemeinschaft hergestellten Produkte zu genießen.

Materialinventar und Lieferketten

Die in diesem Projekt verwendeten Materialien stammen alle aus Frankreich. Aus der Region Paris, der Normandie im Norden Frankreichs und der Bretagne im Westen. Die wichtigsten Elemente wie die Holzstruktur, die Isolierung und der Bodenbelag stammen aus einem Umkreis von 65 Kilometern um das Projekt. Die wiederverwendeten Elemente, wie Eisenwaren oder Keramikfliesen, wurden ebenfalls in der Nähe des Projekts beschafft. Die ausgewählten Materialien sind so unbehandelt wie möglich und wurden vor der Montage so wenig wie möglich verarbeitet.